Etappe 4, von Nauders nach Kaltern: 145 km, 677 hm.
Auf dem Weg zum Reschenpass hinauf habe ich zum ersten Mal richtig kalte Finger. Auf den Wiesen liegt Raureif, der Wetterbericht auf dem Frühstückstisch bescheinigte 1°C Starttemperatur. Trotzdem ziehe ich meine dicken Handschuhe noch nicht an. Auf der Passhöhe wartet die Sonne, da wird es sicher auch etwas wärmer werden. Auf der italienischen Seite empfängt mich strahlender Sonnenschein und eine tolle Landschaft. Außerdem geht es nun lange bergab, was mich auch nicht wenig freut. Im Prinzip habe ich den Alpenkamm nun überquert und nähere mich der mediterranen Welt, die im Prinzip südlich der Berge und lange vor dem Mittelmeer schon beginnt. Am Reschensee halte ich kurz am bekannten Kirchturm, der aus dem See heraus schaut und an das durch den Staudamm überflutete Dorf erinnert. Das Projekt wurde damals gegen den Widerstand der Bevölkerung durchgeboxt. Am Haidersee entlang rolle ich weiter in den Süden und folge dann dem Verlauf der Etsch. In Burgeis mache ich eine erste Cappuccino-Pause. Leider sind zu viele Touristen im Ort und im Café. Der Wirt ist mürrisch und unfreundlich, so dass ich nicht lange verweile und recht bald meinen Weg fortsetze.
Wegbeschreibung, Track und Beschilderung sind ab hier immer öfter unterschiedlicher Meinung. Die Via Claudia sollte hier durch die für den Vinschgau typischen Apfelplantagen führen, doch die Wege verlaufen im Nichts oder sind durch Zäune gesperrt. Ich suche mir dann den für mich angenehmeren Weg aus – also immer weg von der Straße und möglichst auf den Radwegen bleiben. In Laas finde ich ein nettes Café und stärke mich mit einem Käsebrötchen. Neben einem Cappuccino versuche ich auch ein Radler mit Apfelsaft – wenn ich schon in einer Apfelgegend bin. Heute läuft es prima, wahrscheinlich, weil es hauptsächlich bergab geht ;-). Per SMS melde ich mich bei Björn in Kaltern an, bis dorthin sollte ich es heute gut schaffen.
Ich folge weiter dem Etsch und ein anscheinend neuer Radweg führt über einige enge Kehren nach Meran hinunter und in die Stadt hinein. Hier ist es nun wirklich warm und ich überlege, ob ich nicht die Beinlinge ausziehen soll. Doch zunächst erfordern die Baustellen und Umleitungen meine Aufmerksamkeit. Ich irre durch die Häuserzeilen und verfranse mich total. Auf einmal fahre ich einen Berg hinauf und bemerke, dass das die total falsche Richtung ist. Also wieder zurück in die Stadt. Irgendwie muss ich auf die andere Seite der Bahnschienen und der Schnellstraße. Der Track führt an einer Stelle hinüber, die unmöglich ist. Erstens ist dieser Weg für Fahrräder verboten und zweitens versperrt eine Mauer den Übergang. Wie ist dieser Track wohl zustande gekommen? Am Ende bin ich insgesamt zehn Kilometer herum geirrt, bevor ich wieder auf dem richtigen Weg bin.
Mittlerweile habe ich über 100 Kilometer auf dem Tacho und meine Beine lassen mich das spüren. Im Rucksack ist nichts mehr zu essen und meine „Batterien“ sind langsam leer. Ein Erntearbeiter, der gerade Äpfel pflückt, schenkt mir einen Apfel. Die Frucht haucht mir wieder etwas Kraft ein und ich bilde mir ein, dass es gleich etwas besser geht. Weit vor mir sehe ich die Burg des Messner Moiuntain Museum. Dort beginnt Bozen und ab da geht es bis Kaltern nur noch bergauf. Ich mobilisiere die letzten verbliebenen Kräfte und strample den Berg hinauf. Das letzte Stück zieht sich wie Gummi, doch dann habe ich es geschafft. Ein kurzer Anruf bei Björn, dass ich da bin. Er muss nämlich noch arbeiten, kommt aber gleich auf seinem Roller angebraust, um mir die Wohnung aufzuschließen. Später, als wir alle geduscht sind, gehen wir eine wagenradgroße Pizza essen …
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