I. Charakter der Reise und Kurzbeschreibung
Alpendurchquerung ist wohl der passende Ausdruck für diese schöne Reise, die mein Sohn (9 Jahre) und ich (m, 43 Jahre) im Auge hatten. Es sollte vom deutschen "Flachland" in das italienische "Flachland" gehen, deshalb haben wir als Startpunkt Lindau am Bodensee gewählt und als Zielort die Stadt Verona. Wir haben dabei eine Route ausgesucht, die nach unserem Dafürhalten - kindgerecht - relativ wenige Höhenmeter in sich birgt. Deshalb haben wir uns bei der Routenplanung im Wesentlichen an Flussläufen orientiert und sind dort "in die Höhe gegangen" wo es uns nötig erschien.
Von Lindau aus sind wir dem Rheintal flussaufwärts bis zur Illmündung gefolgt. Die Ill haben wir flussaufwärts bis nach Partenen begleitet. Von dort aus ging es nun nicht zur Silvretta-Bielerhöhe (2.037m) hinauf, sondern über das Zeinisjoch (1.822m) in das Paznauntal. Bei Landeck treffen wir auf die Römerstraße Via Claudia Augusta und auf den Inn, an dem entlang wir nun flußaufwärts bis nach Martinsbruck (Martina) radeln. Von dort aus schwingen wir uns zur Norbertshöhe (1.405 m) hoch, um kurz darauf über den Reschenpass (1.507m) zur Etsch zu gelangen. Von hier aus geht es der Etsch flußabwärts entlang durch das Etschtal allermeistens in Bergabfahrt. Über Meran, Bozen und Trient erreichen wir am sechsten Tag Verona.
II. Die Tage im Einzelnen
Tag 1 – 5. August 2013
Einrollen
(Lindau – Vandans)
Lindau am Bodensee erreichen wir mit dem Zug. Wir verlassen Lindau (401 m) nach einem leckeren Frühstück gegen 9 Uhr. An Rhein und Ill entlang fahren wir über Bregenz (427 m) – Feldkirch (458 m) – Bludenz (587 m) nach Vandans (660 m), wo wir gegen 18 Uhr unser Nachtlager beziehen. Die Länge dieser Einrolletappe beträgt 94 km.
Tag 2 – 6. August 2013
Erste Bergetappe
(Vandans – Zeinisjoch - Ried)
Wir verlassen Vandans gegen 8:30 Uhr und fahren die Ill flußaufwärts über Schruns (700 m), St. Gallenkirch (878 m), Gaschurn (979 m) nach Partenen (1051 m). Bis hier hin verläuft die Strecke meistens schön sanft ansteigend. In Partenen stand dann die Entscheidung an, ob wir über die Silvretta-Bielerhöhe oder das Zeinisjoch in das Paznauntal gelangen. Wir haben und für das Zeinisjoch entschieden, weil auf dieser Strecke augenscheinlich weitaus weniger Kfz-Verkehr herrschte als auf der vielbefahrenen Silvretta-Straße und weil uns die niedrigere Übergangshöhe attraktiver erschien. Die Strecke hoch zum Kops-Stausee und dann weiter zum in unmittelbarer Nachbarschaft liegenden Zeinisjoch (1.822 m) ist in den unteren drei Vierteln gut fahrbar. Nach oben hin wird es dann etwas steiler, so dass wir zwischenzeitlich auch mal schieben. Gleich am Kops-Stausee gibt es einen Kiosk. Wir fahren aber noch wenige Minuten zum Gasthof Zeinisjoch (empfehlenswert) weiter, wo wir unser Mittagessen einnehmen. Vom Zeinisjoch geht es hinunter in das Paznauntal. So ein bisschen Abfahrt nach Galtür (1.584 m) tut nach den Strapazen des Aufstiegs ganz gut. Über Ischgl (1.377 m) und Kappl (1.258 m) geht es recht flott nach Landeck (816 m), wo wir auf den Inn und die Via Claudia Augusta treffen. Ab hier heißt es wieder flussaufwärts und damit bergauf radeln. Gegen 19 Uhr erreichen wir Ried im Oberinntal (876 m), wo wir die Nacht verbringen. An diesem Tag sind wir recht genau 100 km mit einem Gesamtaufstieg von 1.431 Höhenmetern gefahren.
Tag 3 – 7. August 2013
Zweite Bergetappe
(Ried – Norbertshöhe – Reschenpass – Prad)
Dieser Tag steht unter dem Motto: „Überschreitung des Alpenhauptkamms“. Ein früher Regenschauer, den wir in unserer Unterkunft aussitzen, läßt uns erst gegen 9:30 starten. Kurz nach Ried befahren wir ein Stück Weg, das es in sich hat. Hier müssen wir hoch über dem Inn etwa eine gefühlte Stunde die Räder schieben. Der Weg dort ist eng und steil bergauf und bergab. Bald erreichen wir aber wieder den breiteren Radweg und fahren über Pfunds (970 m) nach Martinsbruck (Martina) (1.035 m). Wir hatten uns bereits im Vorfeld der Reise entschieden, nach Pfunds nicht über die vielbefahrene Reschenstraße, sondern über die Norbertshöhe (1.405 m) den Reschenpass zu erklimmen. Die knapp 400 Höhenmeter von Martina zur Norbertshöhe sind dann auch recht angenehm zu fahren. Generell mache ich mit meinen Kids in einem Pass so alle 200 Höhenmeter eine Erholungspause. So lassen sich auch längere Pässe in noch kindgerechte Einheiten stückeln und das Ganze bleibt „easy“. Am frühen Nachmittag erreichen wir dann also die Norbertshöhe (ich kann diesen Alternativweg auf den Reschenpass empfehlen) und fahren danach leicht bergauf weiter zum Reschenpass (1.507m). Am Reschensee (1.498 m) schauen wir uns den aus dem Wasser ragenden Kirchturm der alten Ortschaft Graun an. Da wir nun die Wasserscheide zwischen Donau (Schwarzes Meer) und Etsch (Mittelmeer) erreicht haben, geht es ab jetzt tendenziell bergab Richtung Mittelmeer. Durch das direkt nach dem Reschensee relativ starke Gefälle kommen wir auch hier zügig voran. Über Burgeis (1.216 m), Mals (1.051 m) und Schlunders (921 m) erreichen wir gegen 18 Uhr Prad am Stilfserjoch (915 m), wo wir Quartier beziehen. Diese Etappe war 82,7 km lang, der Gesamtaufstieg betrug 1.118 Höhenmeter.
Tag 4 – 8. August 2013
Erste Etschtaletappe
(Prad – Tramin)
Gegen 9 Uhr verlassen wir Prad und fahren zunächst bei leichtem Nieselregen aber mit viiiel Rückenwind auf dem Etschtalradweg über Meran (325 m), Bozen (262) und Kaltern (425 m) nach Tramin (276 m), wo wir übernachten. Die Höhenangaben zu den Orten verraten schon, dass wir nach Bozen noch einmal ein paar Höhenmeter bewältigen müssen, was uns, da wir schon den späten Nachmittag erreicht haben, ein wenig schwer fällt. Unsere Unterkunft in Tramin erreichen wir gegen 18 Uhr nach 105,2 Tageskilometern und einem Gesamtaufstieg von 532 Höhenmetern.
Tag 5 – 9. August 2013
Zweite Etschtaletappe
(Tramin - Ala)
Tramin verlassen wir gegen 10 Uhr. Den schönen Etschtalradweg geht es durch die Apfel- und später Weinanbaugebiete des breiten Tales über Trient (194 m) nach Ala (183 m). Unsere Unterkunft erreichen wir gegen 18 Uhr nach 96,4 Tageskilometern und einem Gesamtaufstieg von 340 Höhenmetern.
Tag 6 – 10. August 2013
Dritte Etschtaletappe - Schlussetappe
(Ala - Verona)
Nach einem langen und in letzter Konsequenz erfolglosen Telefonat mit der Österreichischen Bundesbahn über die anstehende Rückreise mit der Bahn, verlassen wir Ala gegen 10 Uhr. Wir rollen auf dem Etschtalradweg nach Verona (59 m), wo wir gegen 16 Uhr ankommen. Eine Runde durch die Stadt - natürlich mit einem Riesenpott Eis - versichert uns, dass wir die Alpendurchquerung tatsächlich geschafft haben. An diesem letzten Tag hatten wir 74,2 km in den Waden und einen Gesamtaufstieg von 436 Höhenmetern – vor Verona liegt noch ein kleiner Höhenzug, der einen wunderbaren Blick zurück ins Etschtal ermöglicht.
Tag 7 – 11. August 2013 Rückreise mit dem Zug
Ich widme diesem Tag der Rückreise ein wenig Beachtung, weil ich denke, hier noch den einen oder anderen Tipp zum Thema Rückreise mit dem Zug geben zu können. Nach erfolglosen Versuchen der Reservierung von Radplätzen bei der Österreichischen Bundesbahn im Schnellverkehr haben wir uns für die einfachste und, wie wir meinen, preisgünstigste Alternative entschieden, die freilich ein wenig Zeit in Anspruch nimmt. Wir sind in allen drei Ländern mit Nahverkehrszügen unterwegs gewesen. Diese haben den Vorteil, dass sie in aller Regel ein oder mehrere Fahrradabteile haben und dass man hier gar nicht reservieren muss (und auch nicht kann).
Von Verona nach Brennero fuhr um 07.48 Uhr ein Regionalzug, dessen Fahrradabteil in Verona praktisch leer war (der Zug startet wohl dort). In Rovereto stiegen dann ca. 50 Mountainbiker, die vom Gardasee her kamen, zu und mussten auf Anordnung der Schaffnerin und im Beisein von Polizei ihre Räder zerlegen (Wir saßen schon drin – grins). Am Brenner geht man dann am selben Bahnhof zu den österreichischen Gleisen (ich meine, das waren die Gleise 8 und 9) und fährt hinunter nach Innsbruck (die gut 50 km kann man wohl auch im Sattel zurücklegen). Da es keinen österreichischen Fahrkartenautomaten am Brenner gibt, löst man das Nahverkehrsticket nach Kufstein (österreichischer Grenzort nach Deutschland) im Zug beim Schaffner. In Deutschland ging’s dann ebenso im Nahverkehr weiter. Um von Verona nach Lindau zurückzukommen, waren wir zwar rund 13 Stunden unterwegs, diese Fahrzeit bot aber gute Gelegenheit, sich einen Teil der Strecke nochmal anzuschauen und das Erlebte Revue passieren zu lassen.
III. Fazit
Die von uns ausgewählte Strecke war vor allem wegen des relativ niedrigen Höhenprofils für meinen gut trainierten Sohn (9) gut machbar. Die Streckenlänge kann sehr gut an das jeweilige Leistungsvermögen angepasst werden. Wir konnten uns für ein paar Tage in den Bergen bewegen und die Zeit miteinander genießen. Besonders das Erkunden der Flüsse hat uns große Freude bereitet. Auch das Gefühl, ab Landeck auf der historischen Römerroute der Via Claudia Agusta zu fahren, ist etwas sehr Besonderes. Der schleichende Übergang vom deutschen in den italienischen Sprachraum bei Meran/Bozen ist ebenfalls sehr interessant. Und wenn man dann die Berge hinter sich läßt und nach Verona hineinrollt, weiß man, dass man mit dem Fahrrad durch die Alpen von Deutschland nach Italien gereist ist. Es gibt sicher langweiligere Ferienerlebnisse. Die Rückreise mit Zügen des Nahverkehrs gestaltete sich problemlos.
Further information at
http://www.viaclaudia.org/de/via-claudia-bereisen/radroute.htmlgaléria trás
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