Etappe 3, von Lermoos nach Nauders: 112 km, 1.571 hm.
Als ich aus dem Fenster schaue sehe ich die Zugspitze unter wolkenlosem Himmel. Die Äste der Bäume wiegen sich aber ziemlich stark im Wind. Das kommt durch den Föhn, sagt der Wirt. Bisher war ich der Meinung, dass der Föhn ein warmer Wind sei, oder verwechsele ich das mit der Luft aus dem Fön ohne „h“? Egal, ich stemme mich dem kalten Föhn mit „h“ entgegen und strample was das Zeug hält.
Auf einer Schotterstrecke arbeite ich mich zum Fernpass hinauf. Wenn ich jetzt meine KTM unterm Hintern hätte, würde mich das nur einen leichten Dreh mit der rechten Hand kosten, aber so, muss ich schieben. Die Landschaft ist hier oben aber fantastisch. Der Blindsee liegt umrahmt mit herbstlich bunten Bäumen vor einer tollen Bergkulisse, irgendwie erinnert das Bild an Kanada. Irgendwann geht es endlich wieder bergab. Die Schotterstrecke verläuft um einiges Höher als der Fernpass und biegt ein paar hundert Meter vor der (Straßen-)Passhöhe nach Nassereith ab. Wenn ich schon mal hier bin, dann will ich auch zum Pass hin. Ich mache einen Abstecher und fahre in einem Bogen durch eine Kiesgrube zur Passhöhe hinauf. Dort gönne ich mir einen Milchkaffee und eine Apfelschorle und lasse mich von der Sonne aufwärmen.
Die Abfahrt nach Nassereith ist vom Feinsten – für Mountainbiker. Aber als alter MTBler lasse ich mich auch vom Gepäck nicht vor der Fahrfreude abhalten. Auf steilen, steinigen Trails geht es bergab. An einer Stelle führt eine Art Holzbrücke über einen tiefen Abgrund. Tief unten verläuft die Fernpassstraße. Einige Schilder weisen darauf hin, dass das eine Mountainbike-Schiebestrecke sei, warum eigentlich? Überhaupt stehen in den österreichischen Wäldern fast mehr Schilder als Bäume. Verhaltenscode für Biker, dieses ist erlaubt, jenes ist verboten. Komischerweise fliegen einem auf den Waldwegen die BMW X3, Audi Quattros oder sonstige Allradfahrzeuge entgegen, für die gibt es komischerweise keine Verhaltenscodes und das runde weiße Schild mit rotem Rand interessiert hier wohl keine Sau.
Durch Feld und Wald rolle ich über Imst nach Landeck. Im Sommer mögen die Strecken durch den Wald schön schattig sein, jetzt ist es hier ohne Sonne eiskalt. Erst in Landeck, als es einen sehr steilen Weg hinauf geht, ziehe ich das erste Mal die Jacke aus, weil es mir warm wird. Der Weg ist hier ein ständiges Auf und Ab, unter den Bäumen eiskalt und auf dem freien Feld angenehm warm. Bei Fließ mache ich eine Pause und wärme mich innerlich mit einer Flädlesuppe, die hier in Austria Fritatensuppe heißt.
Kurz vor dem Finstermünzpass liegt die Straße im Schatten des Glockturmkamms und es wird wieder kalt. Ich ziehe die Jacke wieder an und wechsele an der Passhöhe in die Schweiz hinüber. Bis Martina (Martinsbruck) geht es dann halbwegs bergab. Vor dem Ort kommt wieder eine Grenzstation und ich erreiche wieder EU-Gebiet und österreichischen Boden. Nun kommt die heutige Frage aller Fragen: Übernachte ich hier, oder fahre ich noch nach Nauders? Zwischen Martina und Nauders liegt die Norbertshöhe mit 11 Kehren und 400 Höhenmetern, schaffe ich das heute noch? Was soll’s, ich versuche es einfach.
In der ersten Kehre ziehe ich die Jacke aus, es wird wieder warm. In der dritten Kehre geht mir das Wasser aus :-(, egal dann strample ich trocken weiter. Ich gewinne Kehre um Kehre und seltsamerweise läuft es umso besser, je höher ich hinauf steige. Auf der Passhöhe schalte ich das Rücklicht ein, im Schatten ist es nämlich schon etwas duster. Dann stürze ich mich nach Nauders hinab – bergab läuft es noch besser als bergauf ;-). Ich frage bei einigen Privatzimmern nach einer Schlafstätte nach, doch die meisten haben geschlossen, oder vermieten um diese Jahreszeit nicht mehr. Am Ende lande ich in einem vier Sterne Hotel. 50 Euro für Übernachtung inkl. Halbpension scheinen in Ordnung. Das Abendessen ist sehr reichhaltig und eine Internetverbindung gibt es auch noch. Zwei Stunden kosten drei Euro, ein akzeptabler Preis für ein Hotel.
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